Mal ehrlich: Woran denken Sie bei dem Begriff Yoga? An schräges OM-Singen und eindrucksvolles Verbiegen auf der Plastikmatte, oder etwa nicht? Stimmt schon – doch am Ende des Tages geht es im Yoga um den eigenen Kern…
Gestresste Hausfrauen, Schwangere, Kinder wie Senioren und längst auch Legionen von Topmanagern – der Yogavirus hat sie mittlerweile alle erwischt. Und das von Kapstadt bis Köln. Ein wesentlicher Grund dafür ist sicher unsere atemlose Zeit, die Beschleunigung des Alltags und Berufslebens. Tempo ohne Limit. Druck bis zum Anschlag. Dabei gilt Millionen Menschen Yoga als perfektes „Gegenmittel“. Aber warum eigentlich?
Lehre statt Religion
Vielleicht verrät der Begriff ja schon einiges. Zunächst einmal basiert das Wort Yoga auf der indogermanischen Wurzel „yui“. Übersetzt bedeutet es „anschirren, verbinden oder vereinigen“. Im Yoga wird dies meist interpretiert als die Vereinigung von Körper, Geist und Seele, aber auch ein sich Verbinden „mit dem Höheren“ eine Form der „Selbstbefreiung“. Doch eins ist Yoga bei all dem nicht: eine Religion. Yoga hat keinen Gott, deshalb passt der Begriff „spirituelle Lehre“ recht gut. Entstanden ist diese Lehre vor bis zu 4000 Jahren in Indien. Doch als System mit den heute bekannten Elementen entwickelte sich Yoga erst nach und nach. Zeit genug hatte es ja bis heute.
Selbstbefreiung wovon?
In den Yoga Sutren („sutra“ = Faden oder Leitfaden) – einem der wichtigsten uralten Yoga-Texte – heißt es im Yoga Sutra 1.2: „Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der dauernd sich verändernden mentalen Muster“. Wow! Das muss man erst mal sacken lassen. Aber langsam wird schon klarer, weshalb Yoga so oft als Heilmittel gegen Stress und ideales Entspannungstraining gesehen wird. Yoga soll nämlich den Geist befreien, ihn zur Ruhe kommen lassen. Mehr noch, es betrifft immer Body und Mind: Yoga soll die drei Säulen Körper, Geist und Seele in Einklang bringen.
Yoga ist also eine ganze Menge mehr als sich Verbiegen und Rumturnen auf der Plastikmatte oder OM-Schmettern. Yoga ist Selbstfindung, es ist Selbststudium, sich selbst Kennenlernen und sich selbst Lieben und Akzeptieren lernen.
Meditation: Was ist das?
Aber langsam, langsam! Wie schafft man es denn nun ganz konkret, seinen Geist zur Ruhe zu bringen? In erster Linie mit Meditation, also mit einem aufrechten Sitz und bestimmten Atemtechniken und vor allem: mit höchster Konzentration. So sollte sogar jede klassische Yoga-Stunde beginnen, egal ob beim Personal Training oder in der Gruppe. Es ist ein Ankommen. Man beobachtet seinen Atem und nimmt die eigene Verfassung – körperlich, geistig, seelisch – ganz bewusst und in dem jeweiligen Moment wahr.
Geht’s auch ohne Om?
Ob man „OM“ singt oder nicht, das bleibt jedem selbst überlassen. Für manche Yogis oder Yoginis, die weiblichen Yogatreibenden, ist es ein Ritual, die Stunde mit dem Urlaut zu beginnen. Manche finden es schlichtweg albern. Das OM ist also kein Muss, sondern ein Kann.
Bye, bye Ego
Dann folgt der Teil, den wohl die meisten von uns als Yoga bezeichnen: die sogenannte Asana-Praxis, also die körperlichen Übungen. Immer in Verbindung mit der Atmung. Man ist ganz bei sich, bei seiner Atmung, bei seinem Körper und seiner Praxis. So zumindest sollte es sein. Es ist kein Konkurrenzkampf, kein auf den anderen im Kurs Gucken und auch kein Rumturnen, um dem eigenen Ego zu gefallen. Damit ist Yoga auch das Gegenteil dessen, was wir tagtäglich im „normalen“ (Arbeits-) Alltag erleben. Vielleicht liegt heute darin der besondere Reiz von Yoga.
Nasenspülung inbegriffen
Neben den Atemübungen (Pranayama) gehören auch Reinigungstechniken (z.B. eine Nasenspülung) zum Yoga . Worauf sich aber fast jeder Yoga-Schüler freut, ist das Ende der Stunde. Besser gesagt, die Minuten vor dem Ende der Stunde. Dann nämlich heißt es: Savasana. Das bedeutet „Leichenhaltung“, fühlt sich aber bedeutend besser an. Denn in dieser Haltung geht’s in die Tiefenentspannung. Und die tut verdammt gut.
Yoga ist also ein ganzheitliches Training, das innere Ruhe und Ausgeglichenheit bringen kann. Es steigert die Muskelkraft, die innere Balance und verfeinert die Selbstwahrnehmung. Kurz: Es steigert das Wohlbefinden rundum. Es macht gelassener, gibt Selbstvertrauen. Und es macht uns einfach auch menschlicher – weg von „höher, schneller, weiter“ und zurück zu „Wertschätzung, Achtsamkeit und Selbstvertrauen“.